Artikel: Es ist Lifestyle![ Kolumne ]
12.11.2007  |   Klicks: 3599   |   Kommentare: 10   |   Autor: Kawakazee
Es ist Lifestyle!
Musik: Sie begleitet uns durch den Alltag, ob auf MP3, als Fahrstuhlmusik oder einfach nur unerwünscht in der Bahn, wenn Kinder mit neuester Handytechnologie ihre Bestimmung darin sehen, ihren Musikgeschmack in die Welt zu tragen. Musik spiegelt meist auch den Gemütszustand. Oder verstärkt diesen. Doch es geht ja noch weiter! Musik als Lifestyle! Zeige, was du hörst! Du bist, was du hörst!
Geht man durch die Straßen, erkennt man sofort, wie es sich mit dem Musikgeschmack verhält. Kleidungsstil ähnelt den Vorbildern, die die bevorzugten Klänge produzieren. Man passt sich seiner Umgebung an. Es gibt irgendwie kein „Ich höre die Musik, weil sie mir gefällt.“ Es ist eher ein: „Ich höre Musik, um mich von der Masse abzuheben!“ Es ist schon merkwürdig. Wenn man manche nach ihrer Meinung fragt, kommen Kommentare, die einfacher weise besagen, man höre bestimmte Bands nicht, weil sie, bevor sie erfolgreich waren, „underground“ waren, nun, da sie aber erfolgreich sind, an Reiz verloren haben, weil jeder sie hört. Verstehe das einer. Weil andere die Musik gut finden, ist sie auf einmal schlecht...
Was auch noch sehr ins Auge fällt, und was ein extrem hohes Potential an Aufmerksam erregt, ist das Verhalten der Menschen: Es gibt keine Grautöne mehr. Nur Schwarz oder Weiß! Du bist Hip Hop! Du bist Indie! Duschen ist nicht Heavy Metal! Man stelle sich vor: Ein „Converse“- T-Shirt auf eine „Akademics“- Baggy! Wo soll das hinführen! Hip Hop und Alternative!
Man geht durch den Bahnhof und lauscht gebannt Gesprächen, die zwischen Szenegängern stattfinden:
„Alter, ich komm'''' vom Lindenhof! Aber aus der schlimmen Ecke! Weißt du, gestern, kommt mir einer entgegen und fragt mich nach Feuer für seine Zigarette! Alter, der hatte nicht mal Abi! Ich hatte Todesangst, aber, hey, ich hab'''' es ihm nicht gezeigt! Man muss ja seine Streetcredibility wahren! Und was mach'''' ich? Alter, ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und sage ihm: Ich bin Nichtraucher! Und weiß du was? Es stimmt gar nicht“
Nun stelle man sich vor, wie diese Kerlchen aussahen... Richtig! Breite Hosen, Windel um den Kopf, Bushido über ihre Wahnsinnshandyboxen laufen... Kinder seht’s ein! Ihr seid keine Ghettogangster aus der amerikanischen Bronx! Aber zu ihrer Verteidigung: Das Leben im Lindenhof ist ja auch ein verdammt hartes Pflaster! Überall gefährliche Rentner, die ihre Riestergeldanlagen in Schusswaffen investieren und mit Drogen dealen! It’s a Jungle out there!
Eine Ecke weiter trifft man auf eine ganz andere Sparte von Musikanhängern. Man darf raten, wer gemeint ist: Das Gesicht durch darüber gekämmte Haare nicht zu erkennen, schwarze Fingernagellackierung, Röhrenjeans, geringelter Pullover. Schmächtige Gestalten, Schatten ihrer selbst, Arme gezeichnet von Narben, die sie sich gerne selbst ritzen, virtuos wie Konzertgeiger, die Seiten ihre Extremitäten, der Geigenbogen meist eine Rasierklinge. Sie tragen den Weltschmerz und das Leid nach außen und wenn sie keinen Grund haben zu leiden, dann tun sie sich weh. Ein Hobby, das unter die Haut geht. Vertieft in philosophische Gespräche quälen sie sich durch den hellen Tag: „Ewiges Leben! Welch eine Qual! Jeden Tag diese Misere des Daseins! Wenn mich nur jemand töten würde! Ich bin zu schwach...“
Man stellt sich daneben. Man schüttelt den Kopf. Man fragt, was an dieser Welt so schlecht sei in der Hoffnung, die interessierte Jugend sinniert über die politische Lage, Berufslosigkeit nach der Ausbildung etc.! Doch weit gefehlt! Die 14-jährigen Trauergestalten haben andere essentielle Sorgen: „Ich hab keine Taschengelderhöhung bekommen! Jetzt muss ich mir den schwarzen Nagellack im DM- Markt holen! Und nicht mehr den von Manhattan in EMO- schwarz. Nur den Gewöhnlichen von Marie Claire! Das Leben kann so gemein sein! Ich will nur noch im Dunkeln sein, so wie meine Seele aussieht!“ Prompt holt er einen Block raus, natürlich mit Strange Emily auf dem Umschlag, und fängt laut an zu denken: „Dunkelheit durchfährt meine Seele! Ich weiß nicht, warum ich mich auf Erden quäle...“ Man würde ja aktive Sterbehilfe leisten, wenn es gesetzlich nicht verboten wäre...
Doch nun wendet sich die Aufmerksamkeit auf ein anderes Objekt: Ein lustiges Männchen mit in die Socken gestopften Baggys und Puma „Speedcat“ schwebt leichten Ganges vorbei. Über den viel zu laut aufgedrehten MP3- Player ertönt die neue Madonnaplatte. Kann ja nur gut sein für den Ausdruck von Metrosexualität! Auf dem Shirt eine Strass- Totenkopf- Applikation. Kopfschütteln...
Das bringt einen wieder auf die Ausgangsfrage: Warum muss man sich so verbiegen um in ein Schema zu passen? Jeder ist stolz auf seine Individualität, die er nach außen tragen kann, wann, wie und wo er will. Diese Individualität ist es doch aber im Endeffekt, die „Normalos“ zu Exoten macht. Schwimmt man doch immer noch mit dem Strom! Keine Kompromisse. Man kann nicht Hip Hop hören ohne "Gangxta" zu sein! Man kann nicht Emocore hören, ohne die Welt schlecht zu finden. Man kann auch nicht Metal hören ohne Jungfrauen zu schänden? Es ist gut, dass man den Lifestyle einer Musikrichtung lebt, aber doch nicht bis zum Exzess! Was kommt als nächstes? Crossoverstile, die Jugendliche mit schwarzen breiten Hosen und 45er Magnums hervorbringen, die sich dann im Bling-Bling-Stil mit einer Platinkugel selbst richten? Man sei auf die Entwicklungen gespannt!

In diesem Sinne: Hip Hop rockt, Rock hip hopt - damit ist die Sache geritzt!
 
Bewertung [1-5]: 4.3 Punkte [10 Stimmen]  
Nur registrierte und eingeloggte User können Artikel bewerten.

10 Kommentare zu diesem Artikel
12.11.07, 13:21 Uhr #1 von Lolly80
Ach ja, und am besten noch Jumpstyle zu Punk, Pogo im Shof zu House, Discofox zu Hip Hop und alles Cross-Stylish ...
12.11.07, 15:42 Uhr #2 von Selbstfinder
Klingt so, als würdest du diese Uniformität unterstützen. Bloß nichts neues, bloß nichts vermischen...
12.11.07, 17:58 Uhr #3 von DaNati
sehr gediegen der artikel!interessantes thema und ich musste echt lachen,weil ich erst letztens über dieses thema(also musik->style) nachgedacht hab und auch ungefähr in der form...gefällt mir echt,nur dass er irgendwie zu kurz is...also,
12.11.07, 18:59 Uhr #4 von thorstilein
"Ein Hobby, das unter die Haut geht."

Super Kolumne Lukas
12.11.07, 23:24 Uhr #5 von haenz
iwie fällt mir da ganz spontan die gruppe bei studi-vz ein:
"wenn mein kind ein EMO wird..bind ich es bei sven väth an die box"
13.11.07, 01:06 Uhr #6 von Kawakazee
@ selbstfinder: Nein, aber diese blinde Ausleben verschiedener Stile, die als Lebenseinstellungen durchgehen... extreme in ihrer Reinkultur. es geht nicht um die Synthese verschiedener Arten, es geht um das Ausleben des daraus entstandenen!

@ DaNati: Da könnte ich Bücher drüber schreiben! Aber ich habe mich der Menschheit zuliebe kurz gefasst!
13.11.07, 10:04 Uhr #7 von Selbstfinder
Kawa, dich hab ich nicht gemeint mit meinem Kommentar, sondern Lolly
13.11.07, 23:39 Uhr #8 von Niels87

Gefällt mir gut! vieles trifft.
Aber die Vermischung gibt es doch schon längst. Da gibts sogar kanns komische Mischungen
14.11.07, 12:46 Uhr #9 von Selbstfinder
Auf der anderen Seite wollen sich viele Menschen durch ihr Aussehen und ihre Musik (und möge es da auch eine gewisse Uniformität geben) vom Rest der Gessellschaft abgrenzen. Gewisse Vermischungen bringen die "Werte", die innerhalb dieser Gruppierungen über teilweise Jahre hinweg aufgebaut wurden, gehörig durcheinander unter Umständen. Wie weit diese Gruppenzugehörigkeit gehen muss, sei mal dahin gestellt. Prinzipiell ist sie aber für mich nachvollziehbar.
03.12.07, 21:33 Uhr #10 von BenKling3
Gefällt mir... Super Kolumne

Lass uns ein Einsatzkommando gründen und aufräumen auf dem Lindenhof
Neue Artikel aus Kolumne
Aktuelle Artikel (alle Rubriken)