Artikel: „Forever Young?“[ Kolumne ]
29.03.2007  |   Klicks: 4984   |   Kommentare: 14   |   Autor: Beety
„Forever Young?“
Wer sich traut und den Blick über den großen Teich schweifen lässt, kann zunehmend beobachten, wie im südwestlichen Teil der USA etwas, das klein begonnen hat, einen größer werdenden Schatten auf den Rest der Welt wirft. Selten um neue Trends verlegen, heißt eine jüngere Innovation Made In USA „Die Jagd nach ewiger Jugend“.
Im Epizentrum Hollywood, dem Mekka der Reichen und vor allem Schönen, tobt ein erbitterter Kampf, trotz fortgeschrittenen Alters nach wie vor wie Anfang zwanzig auszusehen. Denn davon hängt dort alles ab. Wer den Sprung verpasst hat, wird aussortiert. Dabei geht es nicht nur um die Mode- und vor allem Filmbranche, sondern um das schlichte Dasein im sozialen Alltag. Es dreht sich bei jedem Supermarktbesuch, jeder Gartenparty und jeder Yogastunde fast ausschließlich um die Frage: Wie sehe ich aus?
Damit wird für alle, die etwas auf sich halten, ein strenges Sport- und Ernährungsprogramm zum Standard. Reicht dies nicht aus, um die - vielleicht vom eigenen Stylistenteam angeschleppte - Designermode angemessen zu füllen beziehungsweise eben nicht, verschreibt einem ein verständnisvoller Doc Hollywood Tabletten gegen ADS, die den Appetit massiv zügeln, oder sogar Valium, um den Tag zu ertragen. Bringt auch das nicht mehr den erwünschten Effekt, macht man einen Termin bei einem der zahlreichen plastischen Chirurgen und lässt, was von der Perfektion abweicht, in Wunschform bringen.
Nun ist es so, dass im Land der Maßlosigkeit auch in der Anwendung dieser Prozeduren kein vernünftiges Maß vorherrscht. Die meisten sind im Dauereinsatz für ihr Aussehen. Und sie fangen frühzeitig damit an. Im Vorzimmer zur Botoxbehandlung trifft man bereits auf Mitte- und Ende-Zwanzigjährige, die ihren „Look auffrischen“ lassen wollen.
Da drängt sich einem die Frage auf, was denn nun so schrecklich ist am Alter? Sicher träumten die Menschen schon immer von ewiger Jugend, aber wer die Sache mit Realismus betrachtet, weiß, dass zwar schon vieles möglich ist, aber letzten Endes jeder älter wird. Und möchte man dann in einer Gesellschaft leben, in der man mit Ende zwanzig als über den Berg gilt? Es ist kaum vorstellbar, dass Menschen zu Leitfiguren des Zeitgeists werden, die freiwillig unterernährt ihrer Figur aus Kinderzeiten nacheifern. Menschen, die Falten am Mund so schlimm finden, dass sie mit Nervengift ihre Gesichtsmuskeln lähmen lassen und aus keinem Strohhalm mehr trinken können. Menschen, deren Haut von unzähligen Eingriffen dünn geworden ist, die kaum noch Mimik haben, aber lachend „26!“ antworten, wenn man sie nach ihrem Alter fragt.
Zwar vergeht kaum ein Tag, an dem nicht angeprangert wird, wie falsch das ist, aber die Kehrseite ist, dass genau die, die sich anpassen, und vom belächelten Pummelchen zum Größe Null oder gar Doppelnull – entsprechend einer Größe 32 beziehungsweise 30 in Deutschland - tragenden Sternchen aufsteigen, mit öffentlichem Interesse und Engagements in Mode- und Filmbranche überhäuft werden. Könnte die Ironie größer sein?
Sicherlich ist es jedem selbst überlassen, inwieweit man in den eigenen Körper investieren möchte. Jemand der Creme benutzt, ist nicht automatisch dem Jugendwahn verfallen, sondern hat lediglich etwas für Körperpflege übrig. Es geht darum, sich Grenzen bewusst zu machen, deren Überschreitung nicht nur gefährlich ist, sondern auch ein Gedankengut bei sich trägt, das die falschen Signale an die Menschen sendet.
Wenn es sich weiter so verhält, dass alle Trends aus dem fortschrittlichen Westen auch diesseits des Atlantik Anklang finden wie bisher und erste milde Anzeichen sind durchaus zu erkennen, möchte man sich am liebsten nicht vorstellen, wie es sich anfühlen mag, seine Haltbarkeitszeit überschritten zu haben.
Stattdessen wäre es doch viel zeitgemäßer, sich dem Alter gegenüber tolerant zu verhalten. Den Lauf der Zeit zu beeinflussen wird wohl niemandem gelingen, was auch gut so ist, also wozu gegen Windmühlen kämpfen? Denn einen Nutzen hat diese Auflehnung nicht, eher vergällt sie einem die Zeit, die man hat. Wer innen jung bleibt, hat schon gewonnen.
 
Bewertung [1-5]: 4.2 Punkte [36 Stimmen]  
Nur registrierte und eingeloggte User können Artikel bewerten.

14 Kommentare zu diesem Artikel
29.03.07, 16:42 Uhr #1 von Selbstfinder
Wenn ich mir die Plastikgesichter ohne jegliche Mimik mal anschaue, werd ich lieber locker flockig alt und seh mit 40 halt nicht mehr aus wie 20, wenigstens kann ich aber dann noch lächeln. Was in dem Zusammenhang WIRKLICH beunruhigend ist, ist ja dieser Trend zur "Traumfigur" bei den Kiddies dieser Welt...
30.03.07, 11:57 Uhr #2 von marielsd
"Denn einen Nutzen hat diese Auflehnung nicht, eher vergällt sie einem die Zeit, die man hat."

Ja! Unsere Zeit ist kurz...
30.03.07, 13:34 Uhr #3 von Sonnenschutz
Hübsche Frauen sind eben nunmal attraktiver als hässliche...
02.04.07, 10:09 Uhr #5 von TimStone
und ich bin auch schon 23
03.04.07, 09:20 Uhr #6 von SCCChica
alt ist nicht gleich hässlich....
03.04.07, 22:57 Uhr #7 von Beety
auch das kritisiere ich ja
04.04.07, 10:45 Uhr #8 von Despo
Hübsche Frauen sind attraktiver als hässliche?! Ja klar, aber werde ich hübscher durch bescheuerte Operationen? Wir reden hier ja nicht von optischen Notfällen sondern von der breiten Masse. Da pfeif ich auf diesen künstlichen Plastikmüll und applaudiere der gepflegten Natürlichkeit!
Werdet in Würde alt Leutz! Seht mich an, bin über 30 und trotzdem noch ne geile Sau!

04.04.07, 11:44 Uhr #9 von Hildegard
Ach, ich bin sooooo stolz auf dich, meine süße Beety!!!



...immer weiter so!!!

04.04.07, 13:41 Uhr #10 von kurt
wie wahr, wie wahr! doch es faengt bereits hier an: bei den votes z.b.. schaut euch doch mal die top20 liste an. jeder, der bei klarem verstand und realistisch ist, wird beety's kolumne blind unterzeichnen, denke ich. aber im selben augenblick sollte man sich bei jedem voting-klick darueber im klaren sein, nach welchen kriterien man z.b. ein bild und damit eine fremde person bewertet(ich zweifle, dass diese besonders tiefgruendig sind). ich frage mich, wohin das fuehren soll, wenn man sich unters messer legen oder pillen fressen muss, damit man den "ach-so-tollen" schoenheitsidealen unserer zeit entsprechen kann. ich glaube, irgendwann ist jeder bogen und koerper ueberspannt. lasst uns zur realitaet zurueckkehren.
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 04.04.07, 13:41 Uhr
05.04.07, 18:36 Uhr #11 von Lolly80
Nachdem ich über Weihnachten mir mal dieses Land jenseits des Großen Teiches angeschaut habe: Du ziehst hier ein Image über die Ganzen USA, das net stimmt ... dieses Schönheitsund sonstwa Wahn der Celebrities ist eines ... das sicher stimmt

Jedoch macht es in meinen Augen mehr sinn, über den Wiedespruch der Amis in diesem Sinn zu schreiben ... Diet Coke trinken währen sie die Fette Pizza rein ziehen, und danach in die Pharmacy und Appetitzügler und sonstige Tabletten rein schmeissen ... Denn was unsere Amis sicher nicht haben, ist ein Mittelweg - Entweder (abgesaugt) spindeldürr oder (angefuttert) zu viel des Guten ... aber nichts dazwischen, ein Land der Gegensätze und Extreme, was dein Ausschnitt oben beweisst ...
05.04.07, 23:07 Uhr #12 von Beety
naja, ich schrieb ja sachen wie "zunehmend" und "trend", damit ist nicht ganz usa gemeint.
11.04.07, 09:09 Uhr #13 von Kawakazee
Habe mir gerade noch im Hintergrund "Besser Essen" angesehen: Was da für sätze fallen passt eigentlich ganz gut zur Kolumne: "XY wird glücklich, weil er dünn ist..." Genau in diesem Wortlaut. Medien propagieren einen Wahn, der perfekte Menschen oder einen Standard durchzusetzen versucht: Resultat sind dabei nur Psychische Krankheiten, die durch gesellschaftlichen Druck verstärkt werden.
Soviel dazu... nicht der Mensch will dieses Verhalten, sonder die Umgebung. Der Mensch ist das Produkt seiner Umgebung!
11.04.07, 10:34 Uhr #14 von Selbstfinder
Ich sehe in der Kolumne keinen Part, der die komplette USA über einen Kamm schert, allerdings ist es ja wohl kaum von der Hand zu weisen, dass es grad in Gegenden, wo die "Celebrities" und "Möchte-Gerns" verkehren diese Art von "Verschönerung" besonders häufig vorkommt. Das ist aber natürlich nicht nur in den USA anzufinden. Alleine die Tatsache, dass es spezielle Reisen zu ausländischen Schönheitschirurgen gibt, lässt es mir kalt den Rücken herunter laufen. Ich jedenfalls bevorzuge auch die natürliche Schönheit ohne plastische Chirurgie, aber was zählt schon die Stimme des einzelnen?

@Kurt
Zweifelst du an der tiefgründigkeit der abgebildeten Person oder an der des Votenden?
Neue Artikel aus Kolumne
Aktuelle Artikel (alle Rubriken)