Artikel: Nüchtern betrachtet…[ Kolumne ]
06.03.2007  |   Klicks: 3700   |   Kommentare: 15   |   Autor: Selbstfinder
Nüchtern betrachtet…
So eine Abendplanung ist schon nicht immer ganz einfach. Während viele Donnerstags meist schon wissen, wo sie hingehen wollen, vorausgesetzt man konnte eine Karte ergattern, muss man sich an den restlichen Tagen manchmal schon ein wenig mehr Mühe geben, um etwas passendes zu finden. Allerdings wird auch diese Hürde in der Regel problemlos genommen. Eine Frage stellt sich jedoch immer: „Wo glühe ma vor?“.
Diese Frage außer Acht zu lassen ist selbstverständlich keine Option. Vorglühen ist Tradition, fester Bestandteil und muss zelebriert werden, komme was wolle. Die Locationsuche beginnt also ein weiteres Mal. Im Sommer gelten dabei andere Auswahlkriterien als im Winter, doch auch zur kalten Jahreszeit findet sich immer jemand, der seine Wohnung für jenes Event zur Verfügung stellt. Die Organisation findet hier aber noch nicht ihren Abschluss. Weitere Fragen müssen erst noch beantwortet werden, bevor es losgehen kann: Wer glüht denn jetzt mit vor? Wen trifft man erst auf der Party? Und was soll getrunken werden? Ist dies alles geklärt, kann das Vorglühen endlich beginnen. Die entsprechenden Einladungen werden verteilt und es ist fast schon eine unumstößliche Tatsache, dass doppelt so viele Menschen auftauchen, als eigentlich vorgesehen. Es wird also in freudiger Erwartung getrunken, gequatscht und gelacht. Die neuesten Gerüchte machen die Runde und vergangene Geschichten der letzten Partynächte werden ausgegraben. Wer meint, es geht hier nur um das pure Besäufnis, hat natürlich weit gefehlt! Vorglühen ist ein Ritual, eine Art soziales Happening. Man stimmt sich quasi als Team auf den bevorstehenden Abend ein. Man möchte zusammen die Nacht seines Lebens erleben. Einige werden sich jedoch leider nur sehr bruchstückhaft an diese erinnern.

Das Vorglühen wurde also vollzogen. Im Bestfall hat man keinen Kameraden an den Alkohol verloren und alle sind noch in der Lage, die nächste Etappe anzutreten: Den Hinweg. Je nach Härtegrad des Vorglühens kann dieser unterschiedlich lange dauern. Oft trifft man sogar andere bekannte Vorglüh-Gruppen, die das gleiche Ziel haben. Zwischenfälle im Stile von: „Wir haben jemanden verloren!“ oder „Die liegt auf der Straße und da kommt ein Laster!“ verleihen diesem Abschnitt eine ganz besondere Würze. Doch es gibt auch Momente, die zusammenschweißen auf dem langen Weg zur Party. Wenn man von einer lieben Freundin mit glänzenden Augen angeschaut wird und diese dann einem ein „Isch bin nicht betrunken, isch hab disch lieb“ zuhaucht, können schon mal die Knie weich werden. Sobald man allerdings feststellt, dass man gar nicht angeschaut wurde, sondern der Blick gekonnt an einem vorbei auf die vom Vorglühen noch übrig gebliebene Havana-Cola-Mischung gerichtet war, ist es mit den großen Gefühlen auch recht schnell wieder vorüber. Doch auch dieser Abschnitt ist irgendwann überstanden und schlussendlich erreicht man, mehr oder weniger vollzählig, die ersehnte Party!

Spätestens jetzt bricht das Chaos komplett aus. Jeder kennt irgendwie jemanden und ist entsprechend alle fünf Minuten woanders, man rennt ständig zur Bar oder aufs Klo, brüllt den Fotografen an, er solle gefälligst jetzt gleich eine tolles Bild machen, das natürlich unbedingt und ohne Widerrede online gestellt werden muss oder man liegt bzw. sitzt in irgendeiner Ecke, weil man schlicht und ergreifend zu viel getrunken hat. Die Musik mutiert zur Nebensache, es sei denn man fühlt sich noch in der Lage hier und da mal mitzugröhlen, während man sich an den Hals eines Kumpels hängt, um nicht umzufliegen. Ja, so eine Party ist schon was besonderes, vor allem wenn man das Spektakel nüchtern, und damit als „Außenstehender“, erleben darf. Trotz allem sieht man, dass die Leute gemeinsam ihren Spaß haben, und genau das ist ja auch der Sinn der ganzen Sache gewesen. Man tanzt zusammen, stößt auf die Freundschaft an und schwört sich ewige Loyalität, so wie eine richtige Freundschaft eben sein muss. Irgendwann geht die Musik schließlich aus und die Lichter an, das Abenteuer „Party all night long“ ist hiermit allerdings noch nicht beendet. Die letzte Herausforderung steht an: Der Heimweg.

Zunächst gilt es also, die ganze Meute wieder irgendwie zu versammeln. Gar nicht so einfach, wenn sich manche nicht mal mehr an ihren eigenen Namen erinnern können. Doch der Ausruf „City Döner!“ funktioniert glücklicherweise ausgezeichnet und so sind alle Schäfchen bald wieder beisammen und machen sich auf den Weg zum Mitternachts-Snack in gewohnter Umgebung. Zum Glück sind die Mitarbeiter dort die nächtlichen Überfälle schon gewohnt, deswegen braucht man sich wegen etwaiger Eskapaden und Peinlichkeiten keine Sorgen machen, vom Lärmpegel mal ganz abgesehen. Viele werden hier sogar schon mit Vornamen angesprochen und begrüßt, man hat schließlich schon oft einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nachdem dann alle gesättigt sind, scheint sich die gemeinsame Nacht tatsächlich dem Ende zuzuneigen. Man wird müde, möchte nur noch ins Bett und dementsprechend unkompliziert gestaltet sich die Heimreise. Die Feier-Gruppe löst sich auf, Gesprächsstoff für die Zeit bis zur nächsten Tour ist sichergestellt.

Man ist also dann zu Hause. Nüchtern betrachtet war das alles ziemlich verrückt. Am nächsten Tag ist einem vermutlich schlecht und man hat, wenn man Pech hat, im Vollsuff haufenweise Geld ausgegeben. Warum schießt man sich denn immer wieder so ab? Hat sich das wirklich gelohnt? Oder wäre es anders einfach nur langweilig? Warum feiert man nicht einfach nüchtern? Kann man doch! Oder? Und hat man als „nüchterner Begleiter“ überhaupt wirklich Spaß, wenn alle um einen herum total betrunken sind? Ist man selbst sogar eine Spaßbremse? Oder ist das alles halb so wild? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Eines ist komischerweise aber ganz sicher: Das nächste Mal wieder, und zwar das volle Programm.
 
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15 Kommentare zu diesem Artikel
06.03.07, 15:20 Uhr #1 von Maxx83
...und plötzlich erhob sich die Straße und schlug mir ins Gesicht...

06.03.07, 17:37 Uhr #2 von CavemanZZ
das triffts ziemlich genau
06.03.07, 18:23 Uhr #3 von haenz
06.03.07, 21:44 Uhr #4 von conny
...irgendwie find ich mich und meine Freunde da wieder geil!!
06.03.07, 22:23 Uhr #5 von Selbstfinder
Sehr schön, das war nämlich Sinn der Sache
07.03.07, 23:39 Uhr #6 von Jonez
ich fühle mich beobachtet...
08.03.07, 18:00 Uhr #7 von MrChew


Einen Punkt haben wir, mein lieber Mitbewohner, vergessen das Aufräumen am nächsten Morgen und das gemeinsame Katerfrühstück
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 08.03.07, 18:00 Uhr
09.03.07, 11:47 Uhr #8 von marielsd
Lieber Selbstfinder,

sicher, eine sehr detaillierte Beschreibung eines typischen Dönerstags in Mannheim. Aber schade, leider etwas langweilig. Gerade die vielen Betrunkenen um einen herum lassen doch jede Menge dumme Sprüche oder Aktionen los, die deiner Kolumne die entsprechende Würze geben könnten.
Manchmal hast du's ja drin:
"...„Isch bin nicht betrunken, isch hab disch lieb“ zuhaucht, können schon mal die Knie weich werden. Sobald man allerdings feststellt, dass man gar nicht angeschaut wurde, sondern der Blick gekonnt an einem vorbei auf die vom Vorglühen noch übrig gebliebene Havana-Cola-Mischung gerichtet war,..."

Mehr davon!
09.03.07, 12:21 Uhr #9 von Kawakazee
Jaja, das Vorglühen... Und die lieben Leute, die immer da sind... sehr schön!
Hört sich aber ziehmlich erfunden an! Sowas gubt es ja nicht wirklich!
09.03.07, 12:52 Uhr #10 von Selbstfinder
Liebe Marielsd,

vielen Dank für die Kritik. Ich hoff, ich kann bei der nächsten Kolumne etwas mehr davon einbauen

@Kawa
Ich hatte entsprechende Vorbilder, musste nur mein Gedächtnis etwas anstrengen
10.03.07, 09:19 Uhr #11 von Lolly80
Das können wir heute abend ja testen ...
10.03.07, 15:42 Uhr #12 von Seppl
und ich dachte immer ich habe ein alkoholproblem
11.03.07, 20:51 Uhr #13 von Flashlight
also ich bin ja der meinung, dass man auch ohne alkohol spaß haben kann. es sei denn die begleitenden freunde können es nicht lassen einem die vorzüge des alkoholkosnums vorzuhalten.
natürich ist es nicht so einfach "abzuschalten" weil die sinne eben nicht benebelt sind ... aber warum einfach wenns auch schwer geht?
12.03.07, 22:13 Uhr #14 von Britt
besser geht net!!hammer kolummne-triffts total
18.03.07, 15:18 Uhr #15 von CyberWing
@ flashlight also wenn du mich fragst...ich kann auch trinken ohne Spaß zu haben. aber mit ist es immer etwas lustiger !!
Schöne Kolumne!!!
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