Artikel: Nächtliches Alkoholverkaufsverbot in Baden-Württemberg | Von der Sinnlosigkeit eines Gesetzes[ Kolumne ]
31.03.2010  |   Klicks: 5911   |   Kommentare: 10   |   Autor: Polterfarbend
Nächtliches Alkoholverkaufsverbot in Baden-Württemberg | Von der Sinnlosigkeit eines Gesetzes
Seit dem 01. März 2010 ist es in Baden-Württemberg nicht mehr möglich, nach 22 Uhr Alkohol an Tankstellen, Supermärkten und Kiosken zu erwerben. Dass die Einführung dieses Gesetzes Kontroversen auslöst, war abzusehen. Wie sinnfrei dieses Gesetz jedoch tatsächlich ist und wie leicht es umgangen werden kann, dürfte für weiteren Gesprächsstoff sorgen.
Mit Sicherheit ist es ein gutes Anliegen, den Jugendalkoholismus bekämpfen zu wollen. In den Medien häufen sich Meldungen über Komasäufer und Flatrate-Alkoholiker und auch ein Blick auf die Statistik verheißt nichts Gutes.

Die Anzahl alkoholbedingter Krankenhausaufenthalte bei Jugendlichen in Baden-Württemberg hat sich zwischen 2001 und 2008 mehr als verdoppelt (Quelle: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 3/2010). Vor Allem die 15- bis 18-Jährigen bilden die gefährdete Gruppe. „Einstiegsalter“ bei den Jugendlichen, die mit Rausch im Krankenhaus landen, liegt jedoch zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr.

Klar, dass die Politiker meinen, eingreifen zu müssen. Doch inwiefern kann eine nächtliche Prohibition bei diesem gesellschaftlichen Problem Abhilfe verschaffen? Sicher ist es noch etwas früh für ein Resümee, dennoch lässt sich feststellen, dass die Anzahl der Meldungen über Kinder mit Alkoholvergiftung seit der Gesetzeseinführung nicht abgenommen hat. Erst vergangene Woche musste ein 13-jähriges Mädchen in Pfullendorf ins Krankenhaus gebracht werden, da es eine Flasche Wodka alleine getrunken hatte.

Kritik am Gesetz hagelt es von allen Seiten, nicht zuletzt weil spitzfindige Tankstellenbetreiber Schankkonzessionen anfordern, um auch weiterhin nach 22 Uhr Alkohol verkaufen zu dürfen. Besonders erfinderisch zeigte sich jedoch Tankstellenriese Aral. Zahlreiche Zeitungen berichteten darüber, wie der Konzern das Verbot umgeht, indem er Kunden anbietet, den Alkohol bereits vor der Sperrstunde zu kaufen, um ihn dann – gut gekühlt versteht sich – nach 22 Uhr abholen zu können. Momentan werden Umgehungsversuche wie dieser geprüft und sollen – wie vom Innenministerium angekündigt – künftig unterbunden werden.

Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Tankstellen auch weiterhin erfinderisch bleiben werden, um ihr großes Standbein beibehalten zu können. Es ist sogar von vereinzelten Betreibern in Baden-Württemberg zu hören, die ihre Tankstellen nachts schließen müssen, da sich durch den Wegfall des nächtlichen Alkoholverkaufs die Nachtschicht nicht mehr lohne.

Vielerorts wird eine Überarbeitung des Gesetzes gefordert und sogar von einer bundesweiten Heraufsetzung der Altersgrenze für den Alkoholkonsum allgemein diskutiert. Eine Abgabe von Alkohol an Jugendliche erst ab 21 Jahren wie in den Vereinigten Staaten halten viele für sinnvoll.

Wie die „Apotheken Umschau“ im September vergangenen Jahres berichtete, hat sich die Verschärfung der Gesetze in den USA vor über 25 Jahren positiv auf die Statistik ausgewirkt. Erhebungen von Forschern der Washington University in St. Louis haben ergeben, dass es unter den 12- bis 20-Jährigen im Jahre 2006 wesentlich weniger Alkoholexzesse gegeben habe als noch 1979. Junge Frauen und College-Studenten verwässern das positive Ergebnis jedoch: beide Gruppen betranken sich genauso oft wie in den Jahrzehnten vorher.

Vor Allem Studenten, das partywütige und trinkfreudige Volk, werden Bilanzen dieser Art wohl immer stören. So ließen Studenten die in Freiburg verhängte Prohibition im Jahre 2008 nicht lange auf sich sitzen. Die Stadt Freiburg hatte das Trinken von alkoholischen Getränken auf öffentlichen Plätzen verboten. Ein gewitzter Jura-Student untersuchte das Gesetz jedoch und reichte Klage beim baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim ein, welcher das Gesetz für rechtswidrig befand und somit im Sommer 2009 außer Kraft setzte.

Ob nun Heraufsetzung der Altersgrenze oder Verbot von Alkohol an öffentlichen Plätzen – nur eine schärfere Kontrolle dieser Maßnahmen kann (wenn überhaupt) zum gewünschten Ziel führen. Solange überarbeitete MitarbeiterInnen an der Supermarktkasse Alkohol an Minderjährige abgeben, spielt es keine Rolle, ob dies um die Mittagszeit oder erst nach 22 Uhr geschieht. Generalverbote und verallgemeinernde Gesetzesentwürfe haben bisher noch kein gesellschaftliches Problem lösen können.


Bildquelle: aboutpixel.de | Schattenspiel 6 | © Daniel Werner
 
10 Kommentare zu diesem Artikel
31.03.10, 13:11 Uhr #1 von dwing
> dass es unter den 12- bis 20-Jährigen im Jahre 2006 wesentlich weniger Alkoholexzesse gegeben habe als noch 1979

Jep, und da sie sich nicht besaufen dürfen, fahren sie nachts eben illegale Autorennen. Müsste man ja mal nen direkten Vergleich aufstellen, was mehr Todesopfer fordert.

> Generalverbote und verallgemeinernde Gesetzesentwürfe haben bisher noch kein gesellschaftliches Problem lösen können.

So siehts aus. Viel sinnvoller wärs, gerade Jugendlichen einen -sinnvollen- Umgang mit Alkohol beizubringen. Denn davon abhalten, wird man sie ganz sicher nicht. Oder sie finden eben eine Alternative um Dampf abzulassen.
31.03.10, 13:13 Uhr #2 von BonaQa
meine Güte hab ich deswegen am Freitag gelitten
31.03.10, 13:32 Uhr #3 von CM-licious
Da sieht man mal wieder das Politiker vom echten Leben keine Ahnung haben. Selbst wenn man erst mit 21 Jahren Alk kaufen dürfte, würden trotzdem weiterhin die 14 Jährigen ihren Alk irgendwoher bekommen,kennen wir ja alle Die machen sich das Leben ziemlich einfach,anstatt mal zu überlegen wo wirklich das Problem liegt
31.03.10, 13:49 Uhr #4 von Alvin
sinnvoller fänd ich teilweise das australische model: alkohol nur noch in likorshops von personal des gut aufgeklärt is(rsa certifikate über den umgang mit alkohol) sowie übertriebene strafen wenn minderjährige alkohol kriegen, des funktioniert super, da des personal eben nur noch alkohol verkauft und z.b. angehalten ist leute die jünger als 25 jahre aussehen immer nachm ausweis zu fragen auch wenn man schon ab 18 saufen darf, die dürfen z.b. auch niemandem alkohol verkaufen wenn nur der verdacht besteht dass se des für minderjährige kaufen.... und so werden zwar immer noch nicht alle, aber bestimt der grossteil der jugendlichen trocken gelegt
31.03.10, 13:51 Uhr #5 von Polterfarbend
In Chicago haben wir in einem polnischen Laden Bier gekauft und das Mädel an der Kasse musste meinen Vater bitten, das Sixpack Bier über den Scanner zu ziehen, da sie - noch nicht volljährig - das Bier nicht einmal berühren darf. Verkaufen aber schon. Das ist doch total Banane!
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 31.03.10, 13:51 Uhr
31.03.10, 14:15 Uhr #6 von Maze1601
@Alvin: Das doch viel zu sinnvoll ^^

Ernsthaft: Ich finde auch, dass es die einzig LOGISCHE und SINNVOLLE Lösung wäre
31.03.10, 14:30 Uhr #7 von JackV
Wollte Freitag auch noch schön ein Bierchen am Kiosk kaufen: Nix gab's. Scheiß Gesetz.
31.03.10, 16:44 Uhr #8 von Emma_Knopf
"Solange überarbeitete Mitarbeiterinnen an der Supermarktkasse Alkohol an Minderjährige abgeben, spielt es keine Rolle, ob dies um die Mittagszeit oder erst nach 22 Uhr geschieht."
- Gibt's nur MitarbeiterINNEN an der Supermarktkasse?

Ansonsten aber völlig korrekt, irgendwie kommt man um jedes Verbot herum
31.03.10, 16:49 Uhr #9 von Polterfarbend
Und schon ist es politisch korrekt gegendert!
Danke für den Hinweis, Emma
07.04.10, 00:03 Uhr #10 von IceCube84
Wenn man dieses "gesellschaftliche Problem" tatsächlich lösen wollte, müsste man Alkohol entweder komplett verbieten oder zumindest deutlich im Preis anheben... aber da Vater Staat viel zu gut mitverdient, wird beides nicht passieren .... Jetzt kauft man einfach vorsorglich die doppelte Menge an Alk vor 22 Uhr, damit man wirklich über den Abend kommt ..... sinnlose Gesetze..... (siehe auch Nichtraucherschutzgesetzt und deren Schlupflöcher...)
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